Börsen- und Politikexperte Larry McDonald zur aktuellen Lage

Die passiven Investitionsvehikel verändern die Börsenwelt immer weiter. Das bedeutet allerdings nicht, dass keine Entscheidungen mehr getroffen werden müssen: im Gegenteil. Sobald Sie sich dafür entscheiden, den Teil des Geldes, den Sie in Aktien investieren wollen, nicht nur in ETFs auf dem MSCI-World-Index zu investieren, tauchen sofort anlagerelevante Fragen auf: wie viele Aktien aus welchem Land, welche Branchen oder Sektoren und – besonders wichtig – sieht die Disposition auf der Währungsseite aus?
Alle diese Fragen können zwar ignoriert, aber die Beantwortung nicht wirklich vermieden werden – und die Diskussion über Kosten hilft auch nicht weiter. Ach ja – und wenn es um Bonds oder Immobilien geht, stellen sich natürlich genau die gleichen Fragen. Abgesehen davon wird natürlich auch die Gewichtung der verschiedenen Asset-Klassen untereinander für immer die Masterfrage bleiben.
Larry McDonald ist ein US-amerikanischer Bondhändler, der beim Untergang von Lehman Brothers im Jahr 2008 direkt mit dabei war. Sein in 12 Sprachen übersetzter Bestseller ist ein Handbuch für Risikomanager, in dem er aufzeigt, warum es nicht möglich ist, Risiken adäquat zu managen, wenn man nicht versucht, politische Entwicklungen in die Risikoanalyse miteinzubeziehen.
Bei seinen Analysen konzentriert sich Larry auf die sogenannten Bärenfallen (Bear Traps). Das sind die Situationen, in denen die Marktteilnehmer sich in totaler Panik befinden und bei denen es sich – wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind – um ganz besonders attraktive Kaufgelegenheiten handelt.
Larry ist nicht – entgegen vieler Missverständnisse – ein Experte für Shorts, sondern genau das Gegenteil: Wenn alle Welt beginnt short zu sein, überlegt er, ob er kaufen soll.
An dieser Stelle kommt Artificial Intelligence zum Einsatz. Schon bei Lehman wurde ein Modell aus sieben Indikatoren verwendet, um einzuschätzen, ob die Investoren in einem bestimmten Markt kapituliert haben. Dieses „Capitulation Model“ hat er auf inzwischen 21 Indikatoren ausgebaut, mit denen laufend Märkte analysiert werden.
Entscheidend für die Analyse ist allerdings, dass Larry nicht dabei stehen bleibt, seine Indikatoren anzuschauen. Immer dann, wenn ein Markt kapituliert, stellt sich die Frage, ob dies eine Reaktion aus dem politischen Raum nach sich zieht, wie diese sein könnte und was das für die weitere Entwicklung bedeutet. An dieser Stelle kommt direktes politisches Research ins Spiel.
In der letzten Woche war er beispielsweise mit mehreren Hedgefonds-Kunden in London und hat Gespräche mit verschiedensten politischen Akteuren geführt. Aufgrund seines exzellenten Netzwerks hat er dabei direkten Zugang zu Top-Akteuren wie dem früheren britischen Notenbankchef Mervyn King einerseits und dem Brexit-Erfinder Farage andererseits. Im Prinzip geht er auch nicht anders vor als ein Fondsmanager, der sich intensiv für ein Unternehmen interessiert. Hinfahren, sprechen, schauen und den Pulverdampf riechen – alles das eben, was hilft einzuschätzen, wie die Entscheider wirklich denken, was sie wollen und vielleicht tun oder auch unterlassen werden.
Genau hierfür hat Larry das Team von „The Bear Traps Report“ aufgebaut, mit dem er seit 2010 Investoren und Unternehmer weltweit durch seine Analysen unterstützt.
Und in dieser Woche war Larry in der Schweiz in Genf und Zürich unterwegs bei Vermögensverwaltern und Fondsmanagern, um zu berichten, was Sie vielleicht noch nicht mitbekommen haben:
- Immobilien können nicht nur im Preis steigen – in New York hat bereits ein sich beschleunigender Preisverfall eingesetzt.
- Dass der US-Dollar der Safe Haven und Performance-Bringer für die ganze Welt bleibt, ist keineswegs ausgemacht. Britisches Pfund und Euro könnten interessant werden.
- Kennen Sie schon Warren? Nicht Warren Buffett, sondern Elizabeth Warren. Sie hat laufend steigende Chancen, Gegnerin von Trump bei der Präsidentschaftswahl nächsten Herbst zu werden und dies hat bereits Folgen.
- Trade Deal und China – auch dort gibt es Veränderungen in Washington, die damit zusammenhängen, dass die Geldgeber für den Wahlkampf anfangen, klarer zu sagen, was sie wollen – und das ist nicht unbedingt eine Verschärfung der Auseinandersetzung mit China.
- Es gibt auch Sektoren mit Chancen und die liegen wohl nicht mehr so stark bei US-Techwerten. Der massive Absturz bei WeWork zieht Kreise. Bei vielen Tech-IPOs laufen noch in diesem Jahr Lockups aus und die wundersame Geldvermehrung im Silicon Valley könnte schon bald ans Ende kommen. Eine Ausweitung des Problems bis auf ein Volumen von mehr als USD 500 Mrd. scheint nicht ausgeschlossen.
- Das wird alles wohl kein Lehman-Moment. Eher eine Rotation, denn Europa könnte durchaus zu den Gewinnern gehören, wenn in London und Brüssel eine wie auch immer getroffene Entscheidung auf dem Tisch liegt, die den derzeitigen dichten Nebel beseitigt.
- Und Trumps Abwehrstrategie gegen Warrens Angriff wird nur funktionieren, wenn sich der US-Dollar abschwächt. Anderenfalls werden die Arbeitsplatzverluste in den wahlentscheidenden Staaten zu groß und das könnte sogar so weit gehen, dass Trump gar nicht zur Wiederwahl antritt, wenn er selbst keine Siegeschancen mehr sieht.
Wir dürfen gespannt sein, was kommt. In jedem Fall bleiben wir in Kontakt mit Larry McDonald und werden ihm dabei helfen, seine Tätigkeit auf den deutschsprachigen Raum auszudehnen. Entsprechend unserer schon im letzten Jahr vorgenommenen Neufokussierung werden wir uns dabei auf die Schweiz konzentrieren, stehen aber natürlich auch Interessenten aus den anderen Ländern gerne zur Kontaktaufnahme zur Verfügung.
