Packen Sie den chinesischen Drachen bei den Hörnern!

Warum China für Aktieninvestoren wichtig ist.
Alle reden von Bitcoin – schauen Sie lieber auf Öl.
Es geht nicht darum, dass Ihre Kinder Chinesisch lernen oder Sie Alibaba-Aktien kaufen sollen. Das ist vielleicht sinnvoll, vielleicht aber auch nicht. China war vor 25 Jahren wirtschaftlich so groß wie die Türkei, inzwischen klopfen die Chinesen bei den USA an die Tür und machen ihren Einfluss geltend. Das Bruttosozialprodukt Chinas beläuft sich bereits auf rund 60 Prozent dessen der USA.

Der Mellinckrodt-Initiator Daniel Flaig ist nicht nur Private-Equity-Profi, sondern auch ausgewiesener China-Experte. Seine erste Chinareise machte er bereits 1984. Daniel fährt beruflich mehrfach im Jahr nach Shanghai und Beijing, weil die Private-Equity-Gesellschaft Capvis, bei der er im Hauptberuf als Managing Partner für die Akquisition von Unternehmen verantwortlich ist, ein eigenes Büro in Shanghai unterhält. Dieses unterstützt seit 12 Jahren die Portfoliounternehmen von Capvis beim Ausbau der Aktivitäten in China.
Außerdem ist Daniel seit Neuestem das einzige nicht-chinesische Mitglied des strategischen Advisory Boards einer Investmentgesellschaft der China Aerospace Investment Holding (CAIH), die hierüber Fonds für den Kauf von Unternehmen im Volumen von derzeit 16 Milliarden US-Dollar verwaltet.
Was ist passiert, dass wir unseren Blick auf China lenken sollten?
Daniel Flaig (DF): China ist ein sehr altes und geschichtsbewusstes Land. Die Chinesen blicken auf eine Jahrtausende währende Geschichte zurück, während der sie zumeist das wichtigste Land der Welt waren – und genau in diese Position will China mit aller Macht zurück. Präsident Xi ist wahrscheinlich der stärkste chinesische Führer seit Mao.
Warum ist das relevant?
DF: In der Vergangenheit waren die Chinesen nicht Mitglied in der ersten Liga der Länder der Welt. Unter den BRIC-Staaten steht das C für China. Aber ein Emerging Market will China jetzt nicht mehr sein. Bisher ließen die Chinesen lieber anderen den Vortritt und standen in der zweiten Reihe, wenn es um Weltprobleme ging.
Das hat Xi Jinping geändert. Er hat auf dem Nationalen Volkskongress erklärt, dass er jetzt bereit ist, die Rolle eines globalen Leaders zu übernehmen, wenn es um Themen wie Klima oder Handel geht. Und China hat die wirtschaftliche Potenz, dies auch zu tun. Das Land ist ein riesiger Staatskapitalist, der weltweit investiert und Fakten schafft. Eine Anpassung des chinesischen Systems an westliche Strukturen ist nicht zu erwarten.

Und wie wirkt sich das auf die weltweiten Märkte für Unternehmen aus, seien sie nun börsennotiert oder nicht?
DF: China agiert nach Plänen und legt dementsprechend fest, in welchen Bereichen besonders investiert werden soll. Das ist zunächst einmal die von uns bereits im September berichtete Direktive, nicht mehr im Ausland, sondern in China zu investieren. Der HNA-Konzern hat zwischenzeitig seine Investitionen nicht nur gestoppt, jetzt werden Gerüchten zufolge sogar zahlreiche internationale Beteiligungen wieder verkauft. Das Verbot von Kryptowährungen in China konnte deren Höhenflug bisher nicht stoppen. Aber auch dies war ein Schritt, um dafür zu sorgen, dass in China erwirtschaftete Cashflows zukünftig primär auch in China investiert werden.
In welchen Bereichen investieren die Chinesen denn zuhause?
DF: Neben dem Ausbau des Konsum- und Servicesektors sind hochmoderne Ausrüstungsgüter, Roboter (nicht nur Kuka), 3D-Druck und alles, was unter dem Begriff Smarte Fabrik zusammen gefasst wird, Kernsektoren. Aber auch Luftfahrt, Weltraumtechnik und Navigationssysteme gehören dazu. China setzt auf Elektromobilität und eine der größten Hürden in diesem Bereich sind die dazu passenden Stromnetze, Smart Grids genannt. Das Internet der Dinge und alles, was mit mobiler Kommunikation zu tun hat, zählt ebenfalls zu den Kernthemen. Abgerundet wird das Ganze durch Solartechnik, Solarthermie und viele Arten neuer Werkstoffe.
Und wie wollen die Chinesen das alles umsetzen?
DF: China geht mehrgleisig vor. Eigene Innovationen werden mit dem Im- und Export von Technologien kombiniert. Grenzüberschreitende Unternehmenskäufe und die Nutzung des Kapitalmarktes zur Finanzierung sind weitere Elemente. Genau hieraus ergeben sich vielfältige Chancen gerade auch für Nicht-Chinesen.
Die Chinesen sind doch Staatskapitalisten. Wie sollen wir denn davon profitieren?
DF: Das Land China ist ein großer Staatskapitalist, das stimmt. Es gibt aber auch einen privaten Sektor, der in enger Abstimmung mit den staatlichen Leitlinien investiert und zudem sind die Chinesen auf die Zusammenarbeit mit westlichen Firmen angewiesen, wenn sie ihre ehrgeizigen Ziele erreichen wollen.
Nennen Sie ein Beispiel.
DF: Nehmen wir den Bereich der Investition in neue Fabriken. Es handelt sich hierbei um Aktivitäten, die oft schon am Beginn eines Wirtschaftszyklus angeschoben werden, deren Umsetzung zumeist aber erst später erfolgt. Da hiermit große Investitionen verbunden sind, treiben derartige Projekte die Wirtschaft an und führen sie in die Hochkonjunktur. Genau in dieser Phase ist die Weltwirtschaft gerade. Und da benötigen Sie beispielsweise Zertifizierungen der Fabriken, weil die Produkte sonst gar nicht verkauft werden können.
Die Weltmarktführer im Zertifizierungsgeschäft sitzen aber in Europa. Das sind Unternehmen wie SGS in Genf oder Bureau Veritas in Frankreich. Diese Unternehmen sind erstklassig positioniert, um davon zu profitieren, wenn China zuhause investiert. Bureau Veritas beispielsweise ist Marktführer, seit 30 Jahren in China aktiv und der Konzern erzielt dort enorme Umsätze. Sogar einen Börsengang der chinesischen Tochter wollte der CFO auf unsere Frage im Investorengespräch nicht ausschließen, wenn das Geschäft in China weiter so gut läuft wie jetzt.

Und warum nicht gleich in China selbst investieren?
DF: Ich reise in den letzten 15 Jahren regelmäßig nach China. Der Markt ist riesig, die Chancen sind enorm. Aber es kommt auch darauf an, ob Sie die Akteure einschätzen können und bei einer Investition in ein Unternehmen überhaupt überprüfbar ist, ob man fair behandelt wird. Das ist für uns mit Hintergrund Schweiz und Deutschland viel einfacher, wenn wir in Exportweltmeister aus unserem Kulturkreis investieren. Und davon gibt es an der Börse ja genug.
Wichtig ist da eher, genau zu überprüfen, ob der jeweilige Exportweltmeister in seiner Nische denn auch in den Ländern stark positioniert ist, bei denen eine gute Entwicklung zu erwarten ist. Da ist Detailkenntnis gefragt.
Und die Verschuldung in China – da hört man doch immer wieder, dass die so hoch ist, dass diese eine Krise auslösen könnte?
DF: Es stimmt, dass China eine große Verschuldung aufweist, welche seit der Finanzkrise stark gestiegen ist. Es hat aber auch riesige Devisenreserven. Außerdem ist der Finanzsektor ein Bereich, der von einem dirigistisch steuernden, über extrem große Kapitalreserven verfügenden Land gut im Zaum gehalten werden kann. Einen Fall à la Lehman kann ich mir in China nur schwer vorstellen. So etwas wäre der Endpunkt einer Entwicklung, die zur Ablösung der Kommunistischen Partei führen würde. Wenn so etwas passiert – und ausschließen kann man das natürlich nie – wäre es aber ein Prozess, der über längere Zeiträume abläuft und begonnen hat solch eine Entwicklung Stand heute absolut nicht. Es ist eher das Gegenteil der Fall. Die Kommunistische Partei unter Xi Jinping sitzt so fest im Sattel wie lange nicht.

Was sind denn Risiken für China?
DF: Als Hauptrisiko sehe ich eher externe Schocks. China stärkt zwar den Binnenmarkt, aber eine Rezession in wichtigen Industrieländern ist natürlich ein Problem auch für China.
Oder ein starker Anstieg der Energiepreise. Im Nahen Osten geschehen gerade Dinge, deren Ende noch nicht absehbar ist. Dass die USA Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen, ist ein Symbol. Und solch hohe symbolische Preise werden nur in besonderen Situationen bezahlt. Stellen Sie sich vor, was passieren würde, wenn Saudi Arabien mit Israel eine gemeinsame Front gegen den Iran bilden würde. Ein Feind beider Länder ist der Iran schon lange – nur bisher kein gemeinsamer.
Der Ölpreis fängt gerade wieder an, politische Risiken einzupreisen. Schlecht für den anstehenden saudischen Aramco-IPO ist das alles nicht. Trump ist nicht so verrückt, wie dieser von den meisten Europäern eingestuft wird. Zudem hat er viele Unterstützer aus der Unternehmenswelt. Vielleicht schafft Trump es doch noch, den Abstand zu seinem Vorbild Ronald Reagan stärker zu verringern, als heute möglich erscheint. Der Kurs von Trump ist allerdings riskant und der Flug zur Sonne kann auch enden wie bei Ikarus. Womit wir natürlich beim nächsten Problem für China sind: Nordkorea.
Auch Kim ist nicht verrückt. Wenn im koreanischen Fernsehen abends zur besten Sendezeit in der Hauptnachrichtensendung von 30 Minuten über einen Zeitraum von 20 Minuten die Unterschiede zwischen der letzten und der vorletzten Rakete von Kim im Detail besprochen werden, dann kann es schon sein, dass wir alle die Nordkoreaner total unterschätzen und die Größe des Problems – wie einen blinden Fleck – einfach nicht wahr haben wollen. Und bei „wir“ ist China wahrscheinlich mit einzuschließen.
Und wie passen die tollen Aussichten in China zur schwachen Entwicklung des Technologiesektors in den letzten Wochen?
DF: Der kleine Exkurs China in unserem Interview streift ja eher langfristige Themen und Entwicklungen. Die Kursentwicklung an der Börse wird oftmals auch von ganz anderen Einflüssen getrieben. Die Schwäche der Technologieaktien ist wohl ein Vorgeschmack von dem, was aufgrund des ETF-Booms dort noch kommt.
Es war zu lesen, dass mehrere große Technologie-ETFs Anteilsrückgaben im Umfang mehrerer Milliarden US-Dollar abwickeln mussten. Da spielen Steuerfragen für US-Anleger eine Rolle, die plötzlich feststellen, dass die Versteuerung von Kursgewinnen vielleicht günstiger ist, wenn diese eben nicht in 2018 verschoben werden und dafür muss eben mal umgestiegen werden – von einem Sektor in den anderen.
Zusammen mit der Partners Group haben wir bei Capvis ja die VAT Group, den Weltmarktführer für Vakuumventile, im letzten Jahr an die Börse gebracht. Ich empfehle das Interview mit dem CEO Heinz Kundert in der Finanz und Wirtschaft Ende November zur Lektüre. Die technologischen Trends werden dort klar benannt und wenn die Börse Technologie gerade nicht mag, dann sage ich nur eins: Prüfen Sie, ob Sie nicht besser kaufen als verkaufen sollten. Und wenn Sie das nicht selbst machen wollen, kaufen Sie doch einfach unseren Mellinckrodt-Fonds.
